13. Hessischer Psychotherapeutentag begeistert 450 Gäste

27.05.2025 | Kategorien: | | |

Am 23. und 24. Mai fand der 13. Hessische Psychotherapeutentag auf dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt statt. Über 450 Teilnehmer*innen aus ganz Hessen nahmen über die beiden Tage an der Veranstaltung teil und bildeten sich in unterschiedlichsten Themen unter dem Motto „Spannungsfelder der Psychotherapie – Vertrauen und Konflikt“ weiter. „Wir bedanken uns bei den Referent*innen, unseren Gästen und allen Beteiligten für einen großartigen Hessischen Psychotherapeutentag – eine wirklich bereichernde Veranstaltung!“, Dr. Heike Winter (Präsidentin der PTK Hessen) und Else Döring (Vizepräsidentin der PTK Hessen).

Auftakt am Freitag: Austausch, Orientierung und Impulse für die Zukunft der Psychotherapie


Mit einem anregenden und gut besuchten Auftakt startete am Freitag, den 23. Mai 2025, der 13. Hessische Psychotherapeutentag auf dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt. Über 180 Teilnehmer*innen aus ganz Hessen kamen zusammen, um sich zu aktuellen Themen der psychotherapeutischen Praxis, Ausbildung und beruflichen Entwicklung auszutauschen.

Der Nachmittag bot ein vielfältiges Programm, das gezielt auf die unterschiedlichen Phasen des psychotherapeutischen Berufswegs zugeschnitten war. Nachwuchskräfte, Studierende und neuapprobierte Psychotherapeut*innen erhielten in zwei Vorträgen, geleitet von PTK-Präsidentin Dr. Heike Winter und Vorstandsmitglied Sabine Wald, grundlegende Informationen zur neuen Weiterbildung sowie praktische Hinweise zum Weg in die eigene Praxis. Angestellte Psychotherapeutinnen diskutierten unter der Leitung von Karl-Wilhelm Höffler, ebenfalls Mitglied des PTK-Vorstands, zentrale Fragen zu Herausforderungen und Chancen im institutionellen Arbeitsalltag.

Else Döring, Vizepräsidentin der PTK Hessen, eröffnete die offizielle Auftaktveranstaltung des 13. Hessischen Psychotherpeutentags (HPT) am Abend. Sie hieß die Teilnehmenden willkommen – darunter auch Vertreter*innen aus Politik und Berufsstand, wie Yanki Pürsün, MdL und gesundheitspolitischer Sprecher der hessischen FDP.

Döring blickte auf mehr als ein Jahrzehnt berufspolitischer Arbeit zurück, das in die Reform der Weiterbildung mündete – ein wichtiger Schritt für die Profession. Gleichzeitig benannte sie aktuelle Herausforderungen: die ungesicherte Finanzierung der Weiterbildung, lange Wartezeiten auf Therapieplätze sowie die geplante Qualitätssicherungsmaßnahme des G-BA, die aus Sicht der Kammer dringend überarbeitet werden muss. Döring warnte vor einer Überregulierung, die die therapeutische Arbeit zusätzlich belaste, und forderte eine stärkere Berücksichtigung berufsgruppenspezifischer Bedingungen.

Sie betonte zudem die zunehmende gesellschaftliche Verantwortung von Psychotherapeut*innen angesichts aktueller Krisen wie Krieg, Klimawandel, Migration und demokratiefeindlichen Entwicklungen – Themen, die immer häufiger auch die therapeutische Arbeit direkt betreffen. Die Vizepräsidentin rief zu gemeinschaftlichem Engagement auf, um die Versorgung weiter zu verbessern und den Beruf zukunftsfähig zu gestalten.

Festvortrag und Get-Together
Darauffolgend hielt Prof. Dr. Markus Langer den Festvortrag mit dem Thema „KI in der Psychotherapie: Revolution oder Risiko?“ – ein Vortrag, der beim Publikum sehr positiv ankam und Raum für ausgiebige Diskussion, sowohl im Plenum, als auch im anschließenden Get-Together eröffnete.

Der Arbeits- und Organisationspsychologe der Universität Freiburg stellte in seinem Vortrag das Für und Wider in Sachen Künstlicher Intelligenz und ihr Potenzial im Arbeitsfeld der Psychotherapie gegenüber – eine differenzierte Betrachtung, die sowohl Neulinge im Thema, als auch Personen, die schon mehr damit vertraut waren, erfolgreich abholte. Die Sprachmodelle, also die zur Verfügung stehenden Tools unterschiedlicher Firmen (Chat GPT, Perplexity, Deepseek), würden laut erster Betrachtungen tatsächlich bereits von vielen Nutzer*innen zu Themen aus dem Therapiekontext befragt und genutzt. Dies zeige die hohe Nachfrage nach Hilfestellungen in diesem Bereich und führe zu der entscheidenden Frage, was gute Psychotherapie im Kern ausmache – und ob dies durch die KI leistbar beziehungsweise von den Herstellern gewollt ist.

Erste Forschungen zeigten zwar, dass Menschen sehr wohl in der Lage seien, eine Beziehung zu den Tools aufzubauen, unter anderem da diese als ‚Person‘ mit den Usern interagierten. Ob sich darüber aber auch eine ‚therapeutische‘ Beziehung aufbauen ließe, sei zu untersuchen – nur Langzeitstudien und gezielte Metaanalysen könnten dies zeigen. Auch das Risiko, dass Menschen unter Einsatz der KI-Tools noch weniger sozial interagierten, sei nicht von der Hand zu weisen, wie sich bereits im Kontext von Social Media seit einigen Jahren zeige. Positiv zu bewerten seien, nach Meinung Langers,  alle Formen von organisatorischer Unterstützung durch KI-Software – ob bei der Transkription, Dokumentation oder zur Erstellung von Übungsblättern für die Patient*innen. Auch zur allseits bekannten Datenschutz-Thematik gab Langer einige Hinweise für die Einhaltung und Umsetzung.

Im Anschluss an die Vorträge bot ein Empfang mit Finger Food und Live-Musik der Jazz-Kombo „Engeltrio“ Gelegenheit zum persönlichen Austausch. In entspannter Atmosphäre kamen Teilnehmende wie Referent*innen miteinander ins Gespräch und ließen den ersten Veranstaltungstag in geselligem Rahmen ausklingen.

 

Hauptveranstaltung am Samstag: Neue Perspektiven und tiefergehende fachliche Diskussion

Am Samstag, den 24. Mai 2025, fand das Hauptprogramm des 13. Hessischen Psychotherapeutentags statt – mit großem Zuspruch: Rund 270 Teilnehmer*innen verfolgten die hochkarätig besetzten Vorträge und Workshops rund um zentrale Fragen zur Zukunft der Psychotherapie auf dem Campus Westend der Frankfurter Goethe-Universität. Eröffnet wurde der Tag von Kammerpräsidentin Dr. Heike Winter.

In ihrer Rede betonte Winter die wachsende Bedeutung psychischer Erkrankungen in allen Altersgruppen. Besonders hob sie die alarmierende Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen hervor, wo unbehandelte Störungen oft zu lebenslangen Belastungen führen. Auch bei Erwachsenen seien psychische Erkrankungen inzwischen eine der häufigsten Ursachen für krankheitsbedingte Ausfälle – mit enormen persönlichen und volkswirtschaftlichen Folgen. Sie forderte eindringlich, mehr in Prävention, Diagnostik und psychotherapeutische Versorgung zu investieren. Ein zentrales Anliegen war ihr zudem die Umsetzung der neuen Weiterbildung im Anschluss an das 2020 eingeführte Psychotherapie-Studium. Diese könne nur dann voranschreiten, wenn das Vorhaben auch strukturell und finanziell abgesichert werde. In Richtung der anwesenden politischen Vertreterin Dr. Sonja Optendrenk, Staatssekretärin des Gesundheitsministeriums appellierte sie:

 

„Ich möchte dringend dazu aufrufen, die psychische Gesundheit als gesellschaftliche Schlüsselaufgabe anzuerkennen und die Profession bei der Weiterentwicklung der Versorgung wirksam zu unterstützen. Wir stehen als Berufsstand für den Austausch und die Beratung zu diesen Themen bereit.“

Dr. Heike Winter

Präsidentin der PTK Hessen

 

Staatsekretärin Dr. Sonja Optendrenk ging in ihrem Grußwort auf die Notwendigkeit einer guten psychotherapeutischen Versorgung sowie der Finanzierung der neuen Weiterbildung ein. Lobend hob sie die gute und konstruktive Zusammenarbeit mit der Psychotherapeutenkammer Hessen hervor und bedankte sich für das politische Engagement der Kammer rund um das Thema psychische Erkrankungen und psychotherapeutische Versorgung.

Zukunft der Psychotherapie - Neue Perspektiven durch wissenschaftliche Integration
Prof. Dr. Winfried Rief (Universität Marburg) eröffnete anschließend die Vortragsreihe am Vormittag mit einem Impuls zur Weiterentwicklung der Psychotherapie. Er hob hervor, dass Psychotherapie zwar wissenschaftlich anerkannt und wirksam sei, zugleich aber immer wieder an strukturelle und konzeptionelle Grenzen stoße. Als Antwort darauf skizzierte Rief die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels: weg von starren Therapieschulen hin zu einem prozess- und kompetenzbasierten Ansatz. Zentrale Konzepte wie translationale und transtheoretische Psychotherapie, lernende Versorgungssysteme und ein gemeinsames Kompetenzprofil seien dazu geeignet, eine flexiblere und evidenzgeleitete Versorgung zu ermöglichen. Besonders betonte er das Potenzial gezielter Erwartungsinterventionen für wirksamere Behandlungen.

Brüche in der therapeutischen Beziehung – Chance statt Störung
Prof. Dr. Bernhard Strauß (Universitätsklinikum Jena) betonte die Bedeutung der therapeutischen Beziehung als zentralen Wirkfaktor in der Psychotherapie. Er zeigte auf, dass sogenannte ‚Allianzbrüche‘, also Störungen in der Zusammenarbeit zwischen Patient*in und Psychotherapeut*in, nicht als Scheitern zu werten seien, sondern als potenziell produktive Momente in der Beziehung. Dabei stellte er Strategien vor, wie solche Brüche erkannt und professionell bearbeitet werden können – etwa durch Validierung, Prozessreflexion und das Aufdecken interpersoneller Muster. Studien belegen: Erfolgreich bearbeitete Brüche sind mit besseren Therapieergebnissen verbunden.

Epistemisches Vertrauen - Ein zentraler Veränderungsmechanismus
Prof. Dr. Svenja Taubner (Universitätsklinikum Heidelberg) schloss sich an und stellte das Konzept des Epistemischen Vertrauens/ Epistemic Trust in den Mittelpunkt ihres Vortrags: die Fähigkeit, sozial vermittelte Informationen als vertrauenswürdig, relevant und verallgemeinerbar anzunehmen. Epistemisches Vertrauen gilt als entscheidender Mechanismus in der Lernpsychologie. Aus entwicklungspsychologischer Perspektive zeigte sie, wie sichere Bindungserfahrungen die Grundlage dafür bilden und wie Störungen, etwa durch Vernachlässigung oder Missbrauch, zu chronischem Misstrauen führen können. Eine gezielte mentalisierungsbasierte Therapie ermögliche eine Wiederherstellung dieses Vertrauens - mit großer Bedeutung für die Bereiche Persönlichkeitsstörungen und soziale Teilhabe.

Verhaltenssüchte 4.0 – Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im digitalen Zeitalter
Den Abschluss des Vortragsblocks am Vormittag bildete Dr. Kerstin Paschke (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) mit einem hochaktuellen Beitrag zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im digitalen Zeitalter. Sie zeigte, wie intensiv die Nutzung von sozialen Medien, Computerspielen und Online-Videos bereits den Alltag junger Menschen prägt und welche Risiken sich daraus für deren psychische Entwicklung ergeben. Der Vortrag beleuchtete insbesondere pathologische Nutzungsmuster und betonte die Notwendigkeit früher Prävention und wirksamer therapeutischer Angebote bei Verhaltenssüchten im digitalen Kontext. Im Fokus standen mögliche Folgen wie emotionale Belastungen, Rückzug, Konzentrationsprobleme oder Konflikte im sozialen Umfeld. Dr. Paschke betonte die Bedeutung frühzeitiger Sensibilisierung und stellte Ansätze vor, wie eine gesunde Entwicklung im digitalen Kontext gefördert werden kann.

Workshops am Nachmittag – Vertiefung, Vielfalt und kollegialer Austausch
Nach der gemeinsamen Mittagspause ging das Programm am Nachmittag in neun parallele Workshops über. In Gruppen von 25 bis 50 Personen konnten die Teilnehmer*innen zentrale Themen des Vormittags vertiefen. Darüber hinaus wurden aktuelle Herausforderungen in den Blick genommen: So standen auch die psychotherapeutische Arbeit mit chronischen Schmerzen, Post-Covid und ME/CFS, Fragen therapeutischer Neutralität in einem gesellschaftlich polarisierten Umfeld sowie die Behandlung von trans-, genderqueeren und gendernonkonformen Personen auf dem Programm.

Kaffeepausen boten Raum für Austausch und kollegiale Gespräche in angenehmer Atmosphäre. Die Mitglieder des Vorstandes und Vertreter*innen der Ausschüsse der PTK Hessen begleiteten die Vorträge und Workshops, standen für Fragen zur Verfügung und beteiligten sich aktiv am fachlichen Austausch. Der Nachmittag war geprägt von praxisnaher Arbeit, thematischer Vielfalt und einer offenen, engagierten Stimmung: ein gelungener Abschluss eines intensiven Fortbildungstages.

Die Vortrags-Folien finden Sie in Kürze im Internen Bereich..

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