Psychotherapie-Praxen sichern Versorgung in Corona-Krise

03.04.2020 | Kategorie:

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Psychotherapeutenkammer: Wachsende Nachfrage – Videobehandlung boomt

Hessens Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten werden die ambulante Psychotherapie-Versorgung – auch in der Corona-Krise – weiter sichern und durch zusätzliche Videobehandlungsangebote in den kommenden Wochen und Monaten gezielt ausbauen. Wie aus einer (am 3.4.) in Wiesbaden verbreiteten Medieninformation der Psychotherapeutenkammer Hessen (PTKH) weiter hervorgeht, sollen so auch Beschäftigte in Medizin und Pflege, die bald noch stärker werdenden psychischen Belastungen ausgesetzt sein werden, für ihre wichtigen Dienste gezielt gestärkt werden. Unter dem Motto ´Psychologische Beratung in der Corona-Krise - für Mitarbeiter*innen in Pflege- und Gesundheitsberufen´ bieten erfahrene Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ehrenamtlich kurzfristig telefonische Beratungsgespräche zur Entlastung an. „Wir leisten damit einen Beitrag zur Unterstützung der Mitarbeiter*innen in den Kliniken, die sich in der aktuellen Sondersituation belastet und gestresst fühlen. Das ist eine ganz normale Reaktion in einer außergewöhnlichen Lage, in der es hilfreich sein kann, mit jemandem zu reden, der nicht aus dem Berufsumfeld, dem Familien- oder Freundeskreis stammt“, erklärt die Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hessen, Dr. Heike Winter.

Videobehandlung boomt - in der Psychotherapie.    Foto: AdobeStock 323989718

Blitzumfrage:

Fast die Hälfte der Praxen bieten Video-Behandlung an

Winter verweist auf eine aktuelle Blitzumfrage der Kammer, bei der sich gezeigt hat: Inzwischen machen fast die Hälfte (47%) der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bei „50 Prozent und mehr“ der Patienten Videobehandlungen – 13 Prozent der Therapeutinnen haben komplett (zu 100 %) auf Videobehandlungen umgestellt. Nur bei etwa einem Drittel (35%) der Psychotherapie-Praxen liegt der Anteil der Videobehandlungen derzeit unter zehn Prozent – sie therapieren also vorwiegend wie bisher in der Praxis – mit gebotenem Sicherheitsabstand und den vorgeschriebenen Hygienestandards. Wie hat sich die Praxis-Auslastung (Psychotherapie-Nachfrage) in den zurückliegenden Corona-Wochen entwickelt? Bei der Blitzumfrage gaben 32 Prozent der Befragten auf diese Frage an, die Auslastung sei „stabil – etwa gleich“; 15 Prozent signalisieren, die Auslastung sei „sehr stark gesunken („um mehr als 25 Prozent“). Bei drei Prozent der Therapeuten sackte die Auslastung auf Null („habe die Praxis vorübergehend geschlossen“). Zugleich registrieren acht Prozent der Fachleute, die Psychotherapie-Nachfrage sei bei ihnen leicht (um bis zu zehn Prozent) bzw. deutlich (um 10 - 25 Prozent) gestiegen.  

Fehlende Kindernotbetreuung bremst Ausbau der Therapie-Kapazitäten

Wie die Umfrage zeigt, sind 53 Prozent der Fachleute der Auffassung: „Weil Psychiatrien jetzt Patient(inn)en nach Hause schicken, sind sie zum Teil nicht mehr versorgt. Hier braucht es eine bessere Vernetzung und nun verstärkt eine gezielte ambulante Versorgung.“ Eine Schwierigkeit beim Sichern der Psychotherapie-Versorgung ist jedoch die oft fehlende Kinder-Notbetreuung. Bei der Liste der „Schlüsselberufe der Corona-Bekämpfungs-Verordnung“ (aus Gesundheitswesen, Rettungsdienst etc.), die einen Anspruch auf Kinderbetreuung haben, waren die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Hessen bislang nicht ausdrücklich genannt worden. Fast die Hälfte der Befragten nannte dies als ein Problem, dass Hessens Landesregierung dringend lösen müsse: Ohne gesicherte Kinderbetreuung könnten die Eltern unter den Therapeuten keine zusätzlichen Therapie-Kapazitäten für die wachsenden Anforderungen in den kommenden Wochen aufbauen. Die Psychotherapeutenkammer registriert zudem einen steigenden Bedarf in Altenwohn- und Pflegeheimen, in denen Bewohner derzeit keine Besucher(innen) empfangen dürfen. In der Blitzumfrage der Kammer teilen 27 Prozent der Fachleute die Einschätzung: „Die Lage in den Altenwohn- und Pflegeheimen ist besorgniserregend: Hier braucht es dringend mehr Kräfte für die gerontopsychotherapeutische Versorgung!“

Vizepräsidentin Else Döring: Auch für Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutinnen (KJP) bietet Videobehandlung interessante Chancen. Foto: Mario Nägler

Inzwischen zeigt sich zudem: Auch Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) sind zufrieden mit dem Erfolg ihrer Videosprechstunden. "Nach anfänglichen Befürchtungen, dass Kinder und Jugendliche dieses Medium nicht annehmen würden, gibt es viele Rückmeldungen von KJP, dass die Videosprechstude erstaunlich gut funktioniert", berichtet Kammer-Vizepräsidentin Else Döring.

Aus Seminaren werden Online-Seminare: Starke Nachfrage – auch bundesweit

An der Blitzumfrage der Kammer haben sich (am Donnerstagabend, 2. April 2020 – nach 20 Uhr) 366 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten beteiligt. Mehr als 700 Fachleute hatten an einem Online-Seminar der Psychotherapeutenkammer Hessen teilgenommen – zum Thema: „Psychotherapie und Videobehandlung – Empfehlungen für Corona-Zeiten“. Hauptreferent Prof. Dr. Harald Baumeister (Universität Ulm) gab den Praktikern Tipps, wie in dieser aktuellen Sondersituation die ambulante Psychotherapie-Versorgung auch durch Videobehandlung qualitätsvoll gesichert werden kann: Mit Blick auf die Studienlage konnte er zeigen, dass Videobehandlungen genauso wirksam sind wie „Face-to-face-Therapien. Die Online-Seminare der Psychotherapeutenkammer Hessen stoßen auf bundesweit starkes Interesse – die Präsenz-Seminare vieler Institute wurden für die kommenden Wochen alle abgesagt. Die PTKH will ihre Online-Seminar-Aktivitäten deshalb weiter ausbauen.

Live-Online-Seminare der PTKH: Hier mit Präsidentin Dr. Heike Winter vor der Kamera; Pressesprecher Robert G. Eberle in der Regie.      Foto: Olaf Diederichs

Geplante Seminare werden in Online-Seminare verwandelt: Zum Beispiel eine in Kooperation mit dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) konzipierte Fortbildung zum Thema „Suizid-Gefahren bei Kindern und Jugendlichen - Präventions-Strategien in der Psychotherapie-Praxis“ am 25. April 2020.

Die Blitz-Umfrage der PTKH zeigt auch: Bei 89 Prozent der Psychotherapie-Fachleute ist das Interesse an Online-Seminaren zur #Corona-Krise in den kommenden Wochen „stark“ oder „sehr stark“.    (rge)

 

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