„Unsere Gesellschaft ist heteronomativ und cisnormativ, das steht uns beim Thema „Transgender“ im Weg“, sagte Dr. Timo Nieder, Leitung Spezialambulanz für Sexuelle Gesundheit und Transgender-Versorgung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Das kann zu Diskriminierung und Ablehnung führen. „Folge ist ein großer Leidensdruck bei den Betroffenen, der sich allerdings mit Psychotherapie gut behandeln lässt.“ Insgesamt verlange die Transgender-Entwicklung sehr viel Mut und ein funktionierendes kulturelles und psychosoziales Bedingungsgefüge. Die Abkehr von strengen Normen, vom „TÜV-Nadelöhr“, forderte Prof. Dr. Georg Romer, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und –psychotherapie am Universitätsklinikum Münster. Er möchte eine Behandlung „auf Augenhöhe“ erreichen und das Konzept des „Shared Decision Making“ umgesetzt wissen. „Entscheidend ist, was der konkret vor mir sitzenden Person am meisten nützt.“ Für die Psychotherapie bei Transgender-Kindern und –Jugendlichen empfiehlt er ein vorurteilsfreies Akzeptieren der subjektiven Identität und der Nichtbeeinflussbarkeit. Bezüglich der möglichen somatomedizinischen Behandlung sieht er eine getrennte Reflexion des „Ob“ und „Wann“ vor.
Mari Günther, systemische Therapeutin, Familientherapeutin und Dipl. Gemeindepädagogin GPA Potsdam, betonte, dass Eltern und Angehörige von Transgender-Jugendlichen meistens aus ihrer Komfortzone entführt werden. Das Spannungsverhältnis sei sehr schwierig. Sie wies aber auch etwas provokativ darauf hin, dass ein Coming-Out immer auch ein „Beziehungsangebot“ darstellt. Ein wichtiger Satz eines Transelternteils an Kinder: „Ich werde voll anders, aber ich werde nicht weniger!“ Kinder brauchen die elterliche Präsenz, viel Nähe, eine respektvolle Sprache, um den Prozess mitgehen zu können. „Das Problem mit dem Transsein an sich ist gar nicht so groß.“